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Ein Film von Victoria Schwartz und Rasmus Hirthe
BRD 2001, 90 min
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Die Rungholt-Sage

Die Rungholt-Sage weiß um die "Hintergründe" der Sturmflut. In ihrer bekanntesten Form erzählt sie die Geschichte eines Pfarrers, der von einigen Rungholter Bürgern zu einem Kranken ans Krankenbett gerufen wurde, um diesem das Abendmahl zu reichen. Anstatt des Kranken fand er jedoch eine betrunken gemachte Sau vor. Jene Rungholter, die den Pfarrer herbeigeholt hatten, nötigten ihn, mit ihnen zu saufen. Zu diesem Zweck mißbrauchten sie den geweihten Abendmahlskelch, was ein besonders schwerer Frevel war. Da der Pfarrer sich zunächst wehrte, wurde er zudem noch verprügelt. Nachdem die Rungholter von ihm abließen, eilte er nach Hause und rief Gott an, jene für ihre Missetaten zu strafen. Er selbst verließ Rungholt noch in der selben Nacht, begleitet von seiner Magd und drei Jungfrauen. Daraufhin brach ein gewaltiger Sturm los, der die Deiche brechen, Rungholt untergehen und all seine Bewohner ertrinken ließ. Kirchtürme und Glockenstühle sanken auf den Grund, und noch heute hört man an windstillen Tagen die vom Tidestrom bewegten Glocken in der Tiefe läuten ...

Trutz, Blanke Hans (Detlev von Liliencron)

Heut bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren,
noch schlagen die Wellen da wild und empört,
wie damals, als sie die Marschen zerstört.
Die Maschine des Dampfers schütterte, stöhnte,
aus dem Wasser rief es unheimlich und höhnte:
Trutz, Blanke Hans.

Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden,
liegen die friesischen Inseln im Frieden.
Und Zeugen Welten vernichtender Wut,
taucht Hallig um Hallig aus fliehender Flut.
Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten,
der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten.
Trutz, Blanke Hans.

Mitten im Ozean schläft bis zur Stunde
ein Ungeheuer tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht bei Englands Strand,
die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand.
Es zieht, sechs Stunden, den Atem nach innen,
und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen.
Trutz, Blanke Hans.

Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen
die Kiemen gewaltige Wassermassen.
Dann holt das Untier tiefer Atem ein,
und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.
Viele tausend Menschen im Nordland ertrinken.
Viele reiche Länder und Städte versinken.
Trutz, Blanke Hans.

Rungholt ist reich und wird immer reicher,
kein Korn mehr fasst selbst mehr der größeste Speicher.
Wie zur Blütezeit im alten Rom,
staut hier täglich der Menschenstrom.
die Sänften tragen Syrer und Mohren,
mit Goldblech und Flitter in Nase und Ohren.
Trutz, Blanke Hans.

Auf allen Märkten, auf allen Gassen
lärmende Leute, betrunkene Massen.
Sie ziehen am Abend hinaus auf den Deich:
Wir trotzen dir, Blanker Hans, Nordseeteich!
Und wie sie drohend die Fäuste ballen,
zieht leise aus dem Schlamm der Kracke die Krallen
Trutz, Blanke Hans.

Die Wasser ebben, die Vögel ruhen.
Der liebe Gott geht auf leisesten Schuhen.
Der Mond zieht am Himmel gelassen die Bahn,
belächelt der protzigen Rungholter Wahn.
Vor Brasilien glänzt bis zu Norwegens Riffen
das Meer wie schlafender Stahl, der geschliffen.
Trutz, Blanke Hans.

Und überall Friede, im Meer, in den Landen.
Plötzlich wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
Das Scheusal wälzte sich, atmete tief.
Und schloss die Augen wieder und schlief.
Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen
kommen wie rasende Rosse geflogen.
Trutz, Blanke Hans.

Ein einziger Schrei, die Stadt ist versunken.
Und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
schwamm andern Tags der stumme Fisch.
Heut bin ich über Rungholt gefahren.
Die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren.
Trutz, Blanke Hans?